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Individuelle, organisationale und gesellschaftliche Folgen von alternden Belegschaften
29.03.2022 (4min)

Mit steigendem Alter verändern sich die psychischen sowie körperlichen Gegebenheiten einer individuellen Person am Arbeitsmarkt. Die Belastbarkeit des eigenen Körpers, der allgemeine Gesundheitszustand und die Stressresistenz sind nicht mehr vergleichbar mit denen einer jüngeren Person. Auch die Zukunftswünsche und die finanziellen Ansprüche verändern sich bei den Individuen der älteren Belegschaft. Es ist zu beachten, dass jeder Mensch unterschiedliche Bedürfnisse hat und über unterschiedliche körperliche Gegebenheiten verfügt. Diese bedürfen unterschiedlicher Behandlung auf dem Arbeitsmarkt. Außerdem sind die körperlichen Anforderungen und Stresssituation in jeder Branche unterschiedlich.

Die zunehmende alternde Belegschaft bedarf organisatorischen Anpassungen. Aufgrund der individuellen Folgen der älteren Belegschaftsmitglieder und die Auswirkungen auf die Gesellschaft ist es notwendig, einen Mittelweg zwischen gesundem Arbeiten und Verlängerung des Arbeitens zu finden. Unternehmen stehen vor der Verantwortung, Anreize zu schaffen, um ältere Arbeitnehmer länger an sich zu binden. Zusätzlich gilt, die Erfahrungen und das Wissen der älteren Arbeitnehmer zu sichern, Interaktion zwischen unterschiedlichen Generationen zu fördern, Vorurteile zu beseitigen und Chancengleichheit für Arbeitnehmer jeden Alters zu schaffen. Hier können auch politische Regulierungen und politische Förderungen sehr hilfreich sein. Die Relevanz der organisationalen Folgen alternder Belegschaften ist noch nicht ausreichend bekannt und muss mit Blick in die Zukunft in den Vordergrund gebracht werden.

Mit einem Anstieg um 1% der alternden Erwerbsbevölkerung sinkt das Wachstum der Arbeitsproduktivität je Beschäftigten um 0,106% in Europa. Dies bedeutet, dass ältere Arbeitnehmer dort unproduktiver sind als jüngere Arbeitnehmer. Dies hängt mit den individuellen körperlichen Nachteilen zusammen, die ältere Arbeitnehmer daran hindern, schwerer körperlicher Arbeit nachzugehen. Aufgrund dessen sind körperlich arbeitsintensive Arbeitsplätze stärker von der sinkenden Produktivität betroffen. Betrachtet man die Entwicklung der Produktivität älterer Arbeitnehmer, ist eine Abnahme beziehungsweise Neutralisierung des Effekts zu erkennen. Durch Digitalisierung und die erhöhte Verwendung von Technologien am Arbeitsplatz wird Arbeitnehmern in manchen Branchen körperlich anstrengende Arbeit abgenommen. Wissensintensive Sektoren profitieren sogar von alternden Belegschaften, da Erfahrungen und ein Netzwerk an Kontakten bereits vorhanden sind und genutzt werden können. Im Zuge der Unproduktivität werden ältere Arbeitnehmer oft teurer und für manche Unternehmen als Last angesehen. Aufgrund dessen machten sich beispielsweise die Gesundheitsbehörden Anreize zum Vorruhestand zu Nutze, um Kosten zu senken. Langfristig gesehen ist dies in einem stark unterbesetzen Sektor mit alternder Gesellschaft allerdings sehr kontraproduktiv. Daher sollten auch aus politischer Perspektive heraus Anreize geschaffen werden, den Vorruhestand nicht anzutreten. Dies sollte im Maße der Gesundheit und Freiheit des Einzelnen geschehen.

Um auf die individuellen und gesellschaftlichen Folgen angemessen zu reagieren, müssen Unternehmen das Thema der alternden Belegschaft stärker beleuchten. Es ist notwendig, die Beweggründe der älteren Arbeitnehmer, die sie zum Ruhestand leiten, zu identifizieren und ihnen entgegenzuwirken. Hier muss das Management aktiv werden, insbesondere das Personalmanagement steht in der Verantwortung.

Würden die Umstände angepasst werden, wären viele ältere Arbeitnehmer in arbeitsintensiven Branchen bereit, länger zu arbeiten.

Bei weiterführendem Interesse empfehlen wir folgende Quellen:

- Hewko, S., Reay, T., Estabrooks, C. A. & Cummings, G. G. (2019). The early retiree divests the health workforce: a quantitative analysis of early retirement among Canadian Registered Nurses and allied health professionals. Human Resources for Health, 17(1).

- Nilsson, K. (2020). When is work a cause of early retirement and are there any effective organizational measures to combat this? A population-based study of perceived work environment and work-related disorders among employees in Sweden. BMC Public Health, 20(1).

- Proper, K. I., Deeg, D. J. & van der Beek, A. J. (2009). Challenges at work and financial rewards to stimulate longer workforce participation. Human Resources for Health, 7(1).

- Rožman, M., Treven, S., Mulej, M. & ČAnčer, V. (2019). Creating a healthy working environment for older employees as part of social responsibility. Kybernetes, 48(5), 1045–1059.

- Vuori, J., Törnroos, K., Ruokolainen, M. & Wallin, M. (2019). Enhancing late-career management among aging employees – A randomized controlled trial. Journal of Vocational Behavior, 115, 103327.

-Wikström, E., Eriksson, E., Karamehmedovic, L. & Liff, R. (2018). Knowledge retention and age management – senior employees’ experiences in a Swedish multinational company. Journal of Knowledge Management, 22(7), 1510–1526.

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